Fast alles ändert sich irgendwie

Die treue Leserschaft mag überrascht sein, dass es einen neuen Beitrag gibt. Aber zur allgemeinen Beruhigung muss ich hinzufügen, dass ich es auch bin.

Nach langer Abstinenz bin ich zum Schluss gekommen, dass es wieder einmal notwendig ist, von mir zu berichten. Nicht nur um die allgemeine Neugierde zu befriedigen, sondern auch um mir selbst meinen aktuellen Status vor Augen zu führen.

Ich glaube, ich erzähl einfach einmal:

Vor über einem Jahr haben meine Fingerspitzen zu kribbeln begonnen. Das spüre ich zwar kaum mehr, aber wenn ich viel feinmotorische Bewegungen vollführe, wie am Computer oder beim Musizieren, werden meine Hände rasch müde und unkoordiniert. Besonders bei Programmieraufgaben war es sehr mühsam, weil ich mir mit der Handhabung der Computermaus Unmengen an Fehlern in den gerade eben programmierten Quellcode zauberte. Ich benötigte mehr Zeit zum Korrigieren, als zum Programmieren selber. Deshalb habe ich eine Programmierprüfung offiziell versemmelt und eine zweite habe ich abgebrochen, weil mir dann im Juni alles zuviel zu werden drohte. In den Ferien hab ich fleißig geübt und alle Prüfungsaufgaben der vergangenen Jahre bewältigt, allerdings in fünf bis sieben Stunden, wobei ich bei der Prüfung selber dann nur zweieinhalb Stunden zu Verfügung habe. "Wird schon gehen.", sagte ich mir und wartete auf September.

Ein ehemaliger Studienkollege aus dem ersten ersten Semester hat mir einen Job angeboten, den ich schon irgendwie in Betracht gezogen habe. Ich soll als Information Security Officer meine restliche Freizeit opfern - gegen gute Bezahlung - und könnte neben meinem Job als Lehrer arbeiten. "Wird schon gehen.", sagte ich mir und wartete auf September.

Meine allerbeste Frau hat mir zum Geburtstag eine Schnupperstunde für Rollstuhltennis organisiert. Diese hat Nico Langmann, Österreichs Nr.1 Rollstuhltennisspieler, mit mir gemacht. Es war toll, er hat sich gleich zwei Stunden Zeit genommen, kein Geld dafür verlangt und ein paar Tage später hat er mir eine Trainerin vermittelt. Die Tennisstunden finden in Wien statt. Das heißt, ich investiere zirka vier Stunden dafür, dass ich eine Stunde abschalte, meinen Körper und meinen Geist ertüchtige,... kurz: Absoluten Spaß daran habe, endlich wieder etwas Sportliches machen zu können! Der Aufwand dafür sind aber mindestens vier Stunden in der Woche. "Wird schon gehen.", sagte ich mir und wartete auf September.

Im füntften Semester brauche ich ein Berufspraktikum. Wenn der neue Job nicht angerechnet werden kann, muss ich ein Praktikum machen. Dafür müsste ich aber in Karenz gehen oder eine andere Lösung finden. "Wird schon gehen.", sagte ich mir und wartete auf September.

Und dann, im Sommer:

Ich realisierte folgendes: Im vergangenem Schuljahr war ich durch mein Studium auf der FH an drei Tagen Abends nicht zu Hause. D.h. ich bin aus dem Haus gegangen, als der Rest der Familie noch im Bett gelegen hatte und kam erst heim, als die Kinder schon schliefen. Somit hatte ich eigentlich nur die halbe Woche für meine Kinder und wenn ich ehrlich bin, war es eigentlich weniger. Die gemeinsame Zeit in den Ferien habe ich genossen!

Außerdem will ich noch einen zweiten Job machen. Die zwei Jobs ergeben eine 40 Stunden Woche, plus Studium, plus ein paar Stunden Tennis (Man muss ja auch einmal was für sich selber machen!). Im fünften Semester dann das Praktikum: Im schlimmsten Fall muss ich mich in der Schule karenzieren lassen, also den Job, den ich schon immer geliebt habe, auf Eis legen und somit meiner Chefin das Signal geben, dass er mir nicht am wichtigsten ist, sondern andere Dinge Priorität haben. Und das, wo bis Schulschluss das Unterrichten in mir wieder die volle Leidenschaft geweckt hat, die ich, als ich meine alte Schule verlassen musste, etwas unterdrückt und in den Hintergrund geschoben habe. Die Unterrichtszeit vor den Ferien habe ich genossen!

Und: Was, wenn mir der neue Job nicht zusagt? Ich während des Praktikums draufkomme, dass ich das nicht machen möchte? Oder einfach nichts daraus wird und in der Schule inzwischen jemand anderes meinen Job übernommen hat? "Das kann nicht gehen!", sagte ich mir und wartete nicht länger.

Es war übrigens schon September und das neue Unterrichtsjahr hat gerade begonnen. 

 

Dienstag: 

Am Abend legte ich beim familiären Abendessen meine Gedanken auf Tisch: "Was wäre, wenn ich nicht mehr weiterstudiere und das Jobangebot nicht annehme?" - Tochter 1: "Bist du dann wieder mehr zu Hause?" - Tochter 2: "Ich vermiss dich immer, wenn du weg bist."

Ich glaube, dem ist soweit nichts hinzuzufügen.

Neuer Plan: 

Vier Gespräche wollte ich führen, um meine Entscheidungen abzusichern:

 

Mittwoch:

1) Die Chefin: Bereits am nächsten Tag hatte sie Zeit für mich und meinte, ich soll nicht voreilig das Studium beenden. Die Stunden, die ich unterrichte sind keine Vertretungsstunden mehr, sondern meine eigenen - Die nimmt mir niemand mehr weg! Um mich in der Schule stärker einzubringen, wäre das Fach Digitale Grundbildung eventuell etwas für mich. Die Anmeldefrist für den Lehrgang auf der Pädagogischen Hochschule endete am Freitag. So könnte ich meine Affinität für den IT-Bereich auch schulisch umsetzen.

2) Der allerbeste Freund: Am selben Tag telefonierten wir und er sprach mir nur gut zu und meinte, meine Entscheidung müsse vom Herzen kommen.

 

Donnerstag:

3) Der Arzt: Ich hatte zufällig einen Kontrolltermin beim Neurologen und den nutzte ich gleich, um einer außenstehenden, aber mit meiner Krankheit vertrauten, Person über die Situation zu sprechen: "So wie es sich anhört, weißt du eh, wie es weitergeht."

Ich meldete mich offiziell von der FH ab (die Programmierprüfung hab ich noch schlimmer versemmelt, als im Juni) und gleich auf der PH (Pädagogische Hochschule) an. Auf der FH hätte ich heuer den Gitarristen meiner ersten Band als Lektor gehabt. Dafür habe ich jetzt den Sänger meiner letzten Band als Lektor.


Ein paar Tage später:

4) Der fast Lektor: Mit dem Gitarristen, der mein Lektor geworden wäre, traf ich mich im Kaffeehaus zum quatschen. Er meinte nur, wenn ich Lust zu Programmieren hätte, könnte ich jederzeit an einem Open Source-Projekt mitarbeiten, denn zum Programmieren braucht man Können und kein Zeugnis und in der Realität hat man mehr als zweieinhalb Stunden Zeit.


Neuer Stand:

Ich unterrichte weiterhin im Gymnasium mit vollem Elan und Freude. 

Ich mache eine neue Ausbildung, um die Berechtigung zu erwerben, ein zweites Fach unterrichten zu dürfen. 

Ich spiele Rollstuhltennis.

Ich bin an jedem Abend zu Hause und bringe die Kinder ins Bett.

Ich bin meine zwei freien Tage zu Hause, koche für mich und Tochter 1, mache mit ihr Hausaufgaben, bringe sie in die Musikschule, hole Tochter 2 vom Kindergarten... also nehme ich am Familienalltag wieder teil.

Ich habe keinen Stress im Kopf - muss nicht ständig an irgendwelche Abgaben, Übungen, Arbeiten... denken - kann mich mehr auf mich konzentrieren und genieße mein Leben mit der allerbesten Frau, Tochter 1 und Tochter 2. Und Kater. Und ein Job reicht, denn Glück kann man nicht vom Kontoauszug ablesen.


to be continued (I promise (truly (for sure)))!!!


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