Behindert ist, wer behindert wird!

Fühle ich mich behindert? - Normalerweise nicht, aber:

Wenn Barrierefreiheit nur eine Option ist und die schönsten und tollsten Gebäude innen wirklich super für Rollstuhlfahrer oder schlechte Geher ausgebaut sind, aber die Eingangstüren zur unüberwindbaren Hürde werden, dann wird man behindert!

Wenn in Lokalen die einzigen Toiletten sich in einem anderen Geschoß befinden und nur über Treppen erreichbar sind, dann wird man behindert!

Wenn der barrierefreie Zugang auf der anderen Seite des Gebäudes liegt und nur über einen von Pflanzen zugewucherten Weg erreichbar ist, dann wird man behindert!

Wenn eine Toilette für Behinderte so gebaut ist, dass man im Rollstuhl sitzend die Tür hinter sich nicht schließen kann, weil nicht ausreichend Platz vorhanden ist, dann wird man behindert!

Als Musiker ist mir folgendes aufgefallen: Keine Bühne auf der ich bisher aufgetreten bin, ist barrierefrei erreichbar! Die meisten Veranstaltungsräume sind zwar fürs Publikum umgebaut worden, jedoch hat sich anscheinend noch kein Veranstalter Gedanken darüber gemacht, dass Künstler Bedürfnisse haben könnten... so wird man behindert!

...

Ich könnte noch mehr Beispiele anführen, aber ich denke es reicht! Also in meiner Gedankenwelt bin ich nicht behindert, solange ich nicht auf Behinderer stoße. Das Problem ist eigentlich auch weniger die Tatsache, dass man Hürden überwinden muss, denn das Leben ist nie einfach, sondern die Tatsache, dass man auf die Hilfe anderer angewiesen ist.

Das Problem ist auch nicht, dass einem nicht geholfen wird, sondern vielmehr, dass man um Hilfe bitten muss, denn in den seltensten Fällen wird einem automatisch geholfen. Da wird man eher beobachtet, wie man vor Problemen steht und bei der Lösung keine gute Figur macht bzw. wenn man das Problem bewältigt hat, kommt die Frage: "Hätt' ich dir helfen sollen?" oder "Hättest du Hilfe gebraucht?".

Oft wird einem vorgehalten, dass man nicht um Hilfe bittet, aber es gibt dafür mehrere Gründe:
                1) Man möchte sich selbst beweisen, dass man noch selbstständig ist.
                2) Man gibt die Kontrolle in die Hände eines anderen - für mich ist das Gefühl des                                    Kontrollverlustes ein sehr unangenehmes!
                3) Man ist mit zusammengebissenen Zähnen dabei z.B. sein Gleichgewicht zu halten und                            bringt keine Worte raus.
                4) Man würde aufgrund des vorliegenden Problems nicht im korrekten Wortlaut/Tonfall um                        Hilfe bitten, den der andere hören möchte und lässt es deshalb gleich sein.

Trotzdem finde ich es sehr belustigend, dass es Menschen gibt, die so unbedingt helfen wollen, dass in den komischsten Momenten gefragt wird, ob ich Hilfe brauche. (Am Seltsamsten/Verstörendsten fand ich bisher eine Begegnung in einer Herrentoilette, wo mir ein Mann angeboten hat mir zu helfen. Wobei wollte ich gar nicht wissen - ich hab dankend abgelehnt!)

Neulich im Supermarkt:
Ich fahre seit Kurzem mit dem Rollstuhl durch den Supermarkt, da ich damit Kraft spare und ich den Einkauf leichter transportieren kann. Also testete ich zum ersten Mal so ein Einkaufswagerl für Rollstuhlfahrer. Meine Frau wollte, dass ich Zucker fürs Marmeladeeinkochen mitbringe. Vor dem Regal stand eine Angestellte des Marktes mit einer weiteren Dame im Privatgespräch vertieft - genau vor dem Zucker. Also bat ich um Entschuldigung, da ich genau zu diesem Regal wollte. Die Angestellte fragte mich, ob sie mir etwas aus dem Regal reichen könnte. Ich meinte nur: "Da ich den Zucker aus dem obersten Fach benötige, sehr gerne, oder wenn sie ein Wunder erleben möchten stehe ich selber auf!"

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